In wenigen Tagen ist meine OP und ich erwähnte bereits, dass mir das „Danach“ mehr Sorgen bereitet, als die Operation an sich. Dieser Beitrag hier zeigt ganz gut, was meine Ängste sind.
Vielleicht fragt ihr euch nun, warum ich mir das antue, gerade jetzt in dieser Zeit, weil es mich ja noch mehr belasten könnte. Aber die Ängste sind nunmal eh schon da. Die gehen ja nicht weg, nur weil ich sie immer und immer wieder zur Seite schiebe. Darüber zu schreiben, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, das tut mir gut. Gleichzeitig über diese Erkrankung zu sprechen, sie sichtbarer zu machen, vielleicht jemandem damit zu helfen… Das fühlt sich für mich auch einfach richtig an.
Außerdem sollte dieser Beitrag eigentlich schon im Juni veröffentlicht werden. Hat wohl nicht so gut geklappt, oder? Naja, aber wenigstens habe ich in dieser Zeit schon einen Info-Beitrag zu diesem Thema veröffentlicht, den findet ihr hier:
https://www.stomalicious-blog.de/pyoderma-gangraenosum-ein-infobeitrag/
Kurz darauf kam aber mein Darmverschluss dazwischen und diese Reihe an Beiträgen zum Thema Pyoderma ist irgendwie in Vergessenheit geraten.
Aber jetzt, hier geht’s los:
2018 wurde mein Dickdarm nach einem sehr heftigen, jahrelangen Schub des Morbus Crohns entfernt und ein endständiges Ileostoma angelegt. Nach der Operation ging es für mich nur ein paar Tage nach Hause und danach direkt zur Reha, wo ich wieder richtig auf die Beine kam. Es ging mir dort so gut wie schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr. Ich kam endlich wieder zu Kräften, konnte mir Gedanken über Freizeitaktivitäten machen, statt schmerzvoll auf dem Sofa vor mich hin zu vegetieren. Ich habe meine Liebe zum Essen zurückgewonnen, wo ich vor der OP nur noch eine handvoll Lebensmittel vertragen habe. Und das habe ich in dieser Zeit wirklich ausgekostet. Es fühlte sich so an, als hätte ich ein komplett neues Leben geschenkt bekommen.
Doch dann änderte sich alles schlagartig. Am Ende der zweiten Reha-Woche bemerkte ich kleine Wunden am Stoma, die sich schnell vergrößerten. Die Stomatherapeuten vor Ort dachten, es handele sich um eine Wundheilungsstörung. Die Schmerzen waren trotz Tilidin und Oxycodon kaum auszuhalten. Die Wunde vergrößerte sich explosionsartig und die Schmerzen wurden so schlimm, dass ich die letzte Zeit der Reha wieder nur im Bett verbrachte.
Ein paar Tage nach meiner Rückkehr in die Heimat fuhr ich zu meinem Gastroenterologen, da sich die Wunde weiterhin vergrößerte. Sowohl er als auch seine Arzthelferinnen waren sichtlich schockiert und hatten „so etwas“ noch nie gesehen. Ich wurde sofort zu dem Chirurgen geschickt, der mich operiert hatte.
Im Krankenhaus stellte der Chefarzt schließlich die Diagnose: Pyoderma gangraenosum. Für einen kurzen Moment war ich froh darüber, dass das Kind nun endlich einen Namen hatte. Ich fing an zu recherchieren und las mich durch Foren, habe in Facebook-Gruppen um Hilfe und Informationen gebeten.
Oh, das war so ein verdammt großer Fehler. Ich bekam die schlimmsten Horror-Geschichten zu lesen. Und danach ging es mir nur noch schlechter.
Die Wunde wurde stetig größer und tiefer. Das viele Wundsekret führte dazu, dass meine Platte ständig unterlief (bis zu 8x täglich!). Die Behandlung und Pflege der Wunden war äußerst schmerzhaft. Jede neue Stomaplatte auf die Wunde zu kleben, war die reinste Hölle. Der aggressive Dünndarmstuhl lief ständig in die Wunde und fühlte sich an wie ätzende Säure. Jeder Schritt und jede Bewegung war schmerzhaft. Die Platte unterlief deutlich schneller im Stehen oder Sitzen. Also lag ich so viel wie möglich, um die Schmerzen zu vermeiden. Soweit das eben möglich war.
Weder mein Dermatologe noch die damalige Stomatherapeutin hatten ausreichende Erfahrung mit Pyoderma gangraenosum. Es lief wahnsinnig viel falsch (wie ich im nachhinein erfuhr). Ich merkte, dass sie mit meiner Situation restlos überfordert waren und dadurch fühlte ich mich total allein und im Stich gelassen. Aus der Not heraus fuhr ich immer und immer wieder in das 180 Kilometer entfernte Krankenhaus, wo ich operiert wurde, um mir dort die Hilfe zu holen, die ich so dringend benötigte.
Es dauerte über ein Jahr, bis die Wunde endlich abheilte. In dieser Zeit griff ich nach jedem Strohhalm. Ich gab ein Vermögen für Pflasterentferner aus, weil mir nicht bewusst war, dass ein Hersteller auf dem Hilfsmittelverzeichnis der GKV vermerkt ist und dieser Entferner somit von den Krankenkassen übernommen werden kann. In meiner Verzweiflung probierte ich sogar Entferner mit Alkohol an der Wunde – ein brennendes Erlebnis, das ich keinem wünsche.
Ich nahm zahlreiche Medikamente, in der Hoffnung, dass sie bei der Heilung helfen: Azathioprin, Prednisolon, Cortisonsalben, Protopic, Ciclosporin und Adalimumab. Auch verschiedene Wundauflagen wie Aquacel, Hydrokolloidpflaster und Hydrokolloidpuder kamen zum Einsatz. Was mich dann letztendlich weiterbrachte war definitiv medizinischer Honig (Achtung teuer! Es gibt allerdings Wundauflagen mit medizinischem Honig, die in bestimmten Fällen von der GKV übernommen werden können), die Therapie mit Humira (Adalimumab) und ich hatte das Gefühl, dass die tägliche Einnahme von Gerstengras auch ein krasser Faktor war, der die Heilung vorangetrieben hat.
Im Nachhinein fand ich Kontakt zu anderen Betroffenen. Der Austausch mit ihnen war äußerst wertvoll und half mir, mich weniger allein zu fühlen. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt das Schlimmste schon hinter mir hatte. Trotzdem hätte ich mir diesen Austausch schon viel früher gewünscht. Wertvollen Austausch – keine Horrorgeschichten!
Außerdem wechselte ich meine Stomatherapeutin. Das war ein absoluter Zufallstreffer. Was soll ich sagen: Ich habe sie über Instagram kennengelernt. Sie hat mir so viel über Pyoderma Gangraenosum und die Versorgung von Wunden beigebracht, dass ich alles daran gesetzt habe, zu ihr wechseln zu können. Das hat dann auch ziemlich reibungslos geklappt und seitdem fühle ich mich viel sicherer mit dieser Erkrankung.
Darüber habe ich schon einmal geschrieben. Die Beiträge findest du hier:
Woran erkenne ich gute Stomatherapie?
Nach der Neu-Anlage meines 2. Stomas im Jahr 2020 während meiner Schwangerschaft traten bei mir kurz nach der Geburt meiner Tochter die ersten Wunden auf. Es sah genau so aus wie damals. Kleine Wunden, die anfänglich schnell größer wurden. Ich bekam Panik und Schweißausbrüche. Hatte vor jedem Wechsel große Angst, was mich da erwarten wird, sobald die Platte ab ist. Heute weiß ich nun, dass es einfach „nur“ ganz normale Wunden sind, kein Pyoderma, was ein Glück!
Es führt dazu, dass ich keine Panik mehr habe. Oder zumindest weniger. Ein mulmiges Gefühl wird wohl immer bleiben. Wenn du dir die Bilder anschaust, die ich unter diesem Beitrag eingefügt habe, wirst du vielleicht ein bisschen verstehen, was ich meine. Auch wenn sie nicht im Ansatz widerspiegeln, wie traumatisch diese Zeit für mich war war, was ich erlebt und durchgemacht habe. Was ich aushalten musste. Körperlich, aber eben auch mental. Es war einer der heftigsten Abschnitte in meinem Leben, mit denen ich heute noch stark zu kämpfen habe. Vor dieser Operation ist es jetzt natürlich wieder ganz aktuell. Es macht mir Angst, große Angst.
Doch was ich bei alldem erlebten gelernt habe: Das Zusammenspiel zwischen Patienten, Ärzten und Stomatherapeuten ist so extrem wichtig. Es ist absolut notwendig, Fachkräfte zu finden, die sich mit dieser Erkrankung auskennen, denn bei der Behandlung kann man so, so viel falsch machen.
Und was das angeht, bin ich nun gut aufgestellt. Es muss nach keiner Diagnose gesucht werden, nicht gefühlt hundert verschiedene Medikmente getestet werden, weil ich schon weiß, was funktioniert. Ich habe ein Ass im Ärmel: Meine Stomatherapeutin ist Pyo-Profi. Die Klinik kennt sich aus, der Chefarzt kennt sich aus. Das medizinische Personal hat es im Blick. Ich hab es im Blick. Wenn es auftritt, dann hoffentlich einfach nicht mehr in dem Ausmaß, weil schneller gehandelt werden kann.
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Gangraenosums
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